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Die Kette - Leseprobe

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Es begann mit ein paar Lichtern. Als der Zug der Taggart-Bahn auf Philadelphia zurollte, wurden es immer mehr Lichtpunkte, die wie zufällig über die leere Ebene gestreut wirkten, aber einem Zweck dienen mussten. Die Fahrgäste beobachteten sie müßig, aber ohne besonderes Interesse.

Als nächstes tauchte ein dunkler Umriss auf, gegen den Nachthimmel kaum erkennbar, dann ein großes Gebäude, nahe an den Gleisen. 

Das Gebäude lang im Dunkeln, und die Lichter des Zuges spiegelten sich in den Glaswänden. Ein entgegenkommender Güterzug schob sich vor die Sicht und rüttelte im Vorbeiziehen an den Zugfenstern. Als eine Kette flacher Wagen den Blick plötzlich freigab, sahen die Fahrgäste in der Ferne riesige Schatten unter einem schwachen, roten Glühen am Himmel. Das Glühen bewegte sich unregelmäßig, als würden die Umrisse atmen.

Als der Güterzug vorbei war, sahen sie ein eckiges Gebäude in Dunstschwaden. Die Strahlen einiger starker Scheinwerfer schnitten Lichtbahnen durch den Dampf. Der Dampf war so rot wie der Himmel.

Was als Nächstes kam, sah nicht aus wie ein Gebäude, sondern wie ein Rohbau aus geriffelten Glaswänden, in dem sich, von blendendem, orangenem Feuerschein umgeben, Seilzüge, Gerüste und Kräne bewegten.

Die Fahrgäste konnten die Komplexität von etwas nicht begreifen, das wie eine sich über Meilen erstreckende Stadt wirkte, in der keine Menschen zu sehen waren. Sie sahen Türme wie verbogene Wolkenkratzer, Kranbrücken und Schmelzöfen, in deren Mauern sich Krater auftaten, aus denen Feuer brach. Sie sahen eine Reihe glühender Zylinder, die sich durch die Nacht bewegten; Zylinder aus rotglühendem Metall.

Nahe an den Gleisen tauchte ein Verwaltungsgebäude auf. Das Licht eines großen Neon-Zeichens auf dem Dach leuchtete in die Abteile, während sie vorbeifuhren: REARDEN STEEL.

Ein Fahrgast, der Professor für Ökonomie war, bemerkte zu seinem Begleiter: „Welche Bedeutung hat der einzelne Mensch noch angesichts der kolossalen Errungenschaften unseres Industriezeitalters?" Ein anderer, ein Journalist, machte sich Notizen für seinen nächsten Artikel: „Hank Rearden ist der Typ Mann, der seinen Namen auf allem hinterlässt, was er berührt. So kann sich jeder seine eigene Meinung über den Charakter von Hank Rearden bilden."

Der Zug beschleunigte bereits wieder in die Dunkelheit hinein, als eine rote Stichflamme hinter einem langgestreckten Gebäude in den Himmel schoss. Die Fahrgäste achteten nicht darauf; ein weiterer Abstich von Stahl war kein Ereignis, dem sie besondere Beachtung schenkten.

Es war der erste Abstich für die erste Bestellung von Rearden Metall.

Die Männer im Hüttenwerk am Auslass des Hochofens erlebten den Abstich wie einen blendenden Sonnenaufgang. Der schmale Strahl des Roheisens hatte das reine Weiß ungetrübten Sonnenlichts. Schwarze Rauchwolken drehten sich zur Hallendecke, von violett schimmerndem Rot durchzogen. Funkenfontänen spritzten wie das Blut aus einer geplatzten Arterie. Die Luft schien zu kochen wie über einer gigantischen unsichtbaren Flamme; rote Funkenflecken wirbelten durch die Halle, als könne ein von Menschen erschaffenes Bauwerk das Feuer nicht halten und die Hitze die Pfeiler, die Träger und die Kranbrücken schmelzen. Aber das flüssige Metall selbst hatte nichts Gewaltsames. Es war ein langer weißer Bogen mit der Textur von Satin und dem Strahlen eines freundlichen Lächelns. Es floss gehorsam durch den mit Ton verkleideten Siphon in das Rinnensystem und fiel dann sechs Meter tief in die Pfannen, die zweihundert Tonnen aufnehmen konnten. Über dem Strahl hing ein Funkenschwarm aus Sternen, die aus der ruhigen Oberfläche des Flusses aufstiegen, delikat wie Spitzenborte und unschuldig wie ein Feuerwerk für Kinder. Nur bei genauem Hinsehen erkannte man, dass dieses Satin kochte. Gelegentlich fielen Spritzer auf den Boden: sie waren Metall und gingen in Flammen auf, wenn sie auf der Erde abkühlten.

Zweihundert Tonnen Metall härter als Stahl, eine flüssige Substanz mehr als 2000 Grad heiß und mit einer Macht, die Wände der Hütte auszulöschen und jeden Mann, der neben dem Guss arbeitete. Aber jeder Zentimeter ihres Laufs war exakt geplant, vorbereitet, kalkuliert, jedes Molekül berechnet von dem Willen, der seit zehn Jahren daran gearbeitet hatte.

Als der rote Glanz durch die Halle brach, ließ er das Gesicht des Mannes aufleuchten, der in einer abgelegenen Ecke stand und zusah. Der Lichtschein spiegelte sich einen Moment in seinen Augen, kalten Augen aus blauem Eis, – wanderte dann über das schwarze Geflecht der Pfeiler, zurück auf die Strähnen seines aschblondes Haares – dann über den Gürtel seines Trenchcoats und die Manteltaschen, in denen seine Hände sich zu Fäusten ballten. Sein Körper war hochgewachsen und hager; für die Menschen um ihn war er immer zu groß. Ausgeprägte Wangenknochen und scharfe Linien dominierten sein Gesicht. Es waren keine Falten des Alters, er hatte schon immer so ausgesehen. Als er zwanzig war, ließ es ihn älter wirken, jetzt, mit fünfundvierzig, machte es ihn jünger. Solange er sich erinnern konnte, hatte man ihm gesagt, sein Gesicht sei hässlich, weil es hart aussah, und grausam, weil es ausdruckslos wirkte. Es blieb auch jetzt ausdruckslos, als er den Abstich beobachtete. Es war Hank Rearden.

Das Metall erreichte jetzt den Rand der Pfanne und lief mit verschwenderischer Gleichgültigkeit daran herunter. Die blendend weißen Tropfen verwandelten sich in ein glühendes Braun und Sekunden später waren sie metallene Eiszapfen, die abbrachen. Die Pfanne bekam eine bräunliche Kruste wie Lehmboden. Als die Kruste dicker wurde, brachen Krater auf, in denen die weiße Flüssigkeit noch kochte.

Ein Mann kam angeflogen, in der Kabine eines Schwebekrans. Mit einer lässigen Handbewegung ließ er riesige Stahlhaken an Ketten herab, hakte sie an den Griffen der Pfanne ein und hob sie in die Höhe wie eine Milchkanne – und zweihundert Tonnen Stahl wanderten durch die Luft zu den Gussformen, die darauf warteten, gefüllt zu werden.

Hank Rearden lehnte sich zurück, schloss die Augen. Er spürte wie der Pfeiler bei der Fahrt des Krans zitterte. Die Arbeit ist getan, dachte er.


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Ich bin Uwe Albrecht

Nichts weiter als ein Suchender nach dem Sinn des Lebens. So wie wir alle.
Wenn ich auf mein Leben bisher zurückschaue, erkenne ich den großen Sinn aller Erfahrungen und Lebensgeschichten.

Alles hatte seinen Sinn. Denn wenn es den nicht hätte, wäre es ja überhaupt sinnlos, dass ich überhaupt existiere.
(So hat es Burkhardt Heim gesagt.)

Es ist mir eine Freude, meine Suche, Gedanken, Zweifel, Erkenntnisse, Freuden und Lebensschritte hier mit euch zu teilen.

Ich stehe hier nackt vor euch, denn zu verbergen habe ich nichts.

 

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